Studie: Knapp 80 Prozent der Haushalte könnten Gigabit nutzen

Glasfaser nimmt gerade bei Wettbewerbern der Telekom Fahrt auf, geht aus einer Analyse hervor. Aber nicht schnell genug, um die Gigabitziele 2030 zu erreichen.​

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Große Rollen mit orangefarbenem Glasfaserkabel zur Verlegung im Boden an einer Baustelle in Beber, Niedersachsen.

(Bild: juerginho/Shutterstock.com)

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Mitte 2024 können 35,9 Millionen der insgesamt 45,7 Millionen Haushalte und kleinere Unternehmen einen Gigabit-Anschluss über Glasfaser- oder TV-Kabelnetze beziehen. Die Gigabit-Versorgbarkeitsquote wird dann bei 78,6 Prozent liegen – und damit nur 2,2 Prozentpunkte über der des Vorjahres. Das ist der am Mittwoch veröffentlichten 6. Gigabitstudie des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) zu entnehmen.

17 Millionen Haushalte und KMU können laut der Erhebung mit "hybriden Glasfaser-Koaxial-Anschlüssen (HFC)" versorgt werden – also über das bewährte TV-Kabelnetz. 8,9 Millionen Haushalte oder Unternehmen sind direkt mit Glasfaser anschlussfähig (FTTB/H). Weitere 10 Millionen haben die Wahl zwischen Glasfaser und Kabel. Die Branche spricht dabei von "Homes Passed", bei denen eine Anschlussleitung oder Leerrohrsystem in der Nähe oder auf dem Grundstück ist, die für die Installation eines Gigabit-Anschlusses ausgelegt ist.

80 Prozent der gigabit-fähigen Haushalte werden laut der vom VATM und dem Beratungshaus Dialog Consult durchgeführten Untersuchung von Wettbewerbsunternehmen erreicht, nur 20 Prozent von der Deutschen Telekom. Fast 60 Prozent sind auf Basis von HFC-Netzen realisierbar, der FTTB/H-Anteil nimmt im ersten Halbjahr 2024 aber deutlich um 2 Millionen auf 18,9 Millionen zu (41,2 Prozent).

Von den insgesamt 35,9 Millionen versorgbaren Haushalten und KMU nutzen 13,2 Millionen gigabitfähige Anschlüsse tatsächlich. "Homes Activated" sind ans Netz angeschlossen und es besteht ein aktiver Vertrag mit einem Internetanbieter. 8,6 Millionen entfallen dabei auf HFC, 4,6 Millionen auf Glasfaser.

90,9 Prozent der Gigabit-Vertragskunden oder 12 Millionen beziehen ihren Anschluss von den Wettbewerbsunternehmen, nur 9,1 Prozent (1,2 Millionen) von der Telekom. Die Konkurrenten haben zudem mehr als doppelt so viele Anschlüsse betriebsfertig im Vergleich zur Telekom ("Homes Connected": Leitung ist installiert, aber Vertrag besteht nicht). Das ergibt eine Take-up- beziehungsweise Buchungsrate von 35 bei den Wettbewerbern und 13 Prozent bei der Telekom.

Insgesamt steigt die Glasfaserversorgungsquote bei Homes Connected im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Punkte auf 17,7 Prozent (8,1 Millionen Haushalte). Dabei beträgt der Anteil der Telekom-Herausforderer 70,4 Prozent. Auch hier sind es dem VATM zufolge die Wettbewerber, die den flächendeckenden Glasfaserausbau vorantreiben. Das zeige nicht zuletzt ihr Anteil von über 72 Prozent beim staatlich geförderten Leitungsverlegen im ländlichen Raum.

Es sei "noch viel Tiefbauarbeit" nötig, um die Gigabitziele der Bundesregierung mit flächendeckender Glasfaserversorgung bis 2030 zu erreichen, erklärte Andreas Walter, Geschäftsführer von Dialog Consult, bei der Präsentation der Ergebnisse am Mittwoch. Eigentlich sei bereits absehbar, dass daraus nichts werde.

Auch 2024 basieren immer noch knapp zwei Drittel der von den Kunden genutzten Breitbandanschlüsse auf dem Kupferdoppelader-Anschlussnetz der Telekom: 64,8 Prozent entfallen auf DSL, worüber momentan maximal 250 MBit/s als erreichbar gelten. Dabei gelinge dem Magenta-Konzern momentan sogar eine "Remonopolisierung", erklärte Walter. Aufgrund der eingeführten "Regulierung light" und wachsweichen Open-Access-Vorgaben für einen offenen Netzzugang sei der Anteil von Wettbewerbern wie 1&1, die bei VDSL ein Vorleistungsprodukt der Telekom beziehen und dieses dann selbst vermarkten, von 45 Prozent 2021 auf 42 Prozent dieses Jahr gefallen.

Über die Hälfte der Kunden fragt mittlerweile aber Bandbreiten von 250 MBit/s und mehr nach. Die durchschnittlich gebuchte Bandbreite beträgt aktuell 485 MBit/s im Privatsektor und 636 MBit/s bei Geschäftskunden. Das über gigabit-fähige Anschlüsse erzeugte Datenvolumen liegt bei pro Anschluss und Monat im Durchschnitt bei 435 Gigabyte und ist allein im ersten Halbjahr 2023 um gut 7 Prozent gewachsen.

Die Schlussfolgerungen, die die Branche aus den Zahlen zieht, sind ähnlich wie voriges Jahr. Die Telekom habe 6,8 Millionen gigabit-fähige Anschlüsse oder rund 75 Prozent "gar nicht fertig gebaut", monierte Walter. Sie gehe in viele Gemeinden, werfe ihr Handtuch aus und wolle so Wettbewerber blockieren. Zudem konzentriere sich der Bonner Konzern meist nur auf Kerngebiete von Gemeinden, was eine Analyse zum vielfach kritisierten Überbau inzwischen bestätigt.

Es gebe noch "viel Raum für die Telekom, den Wettbewerb auszubremsen", kritisierte VATM-Präsident David Zimmer. Da werde die oft geforderte Migration auf Glasfaser zur großen Herausforderung. Die Bundesregierung müsse daher jetzt endlich handeln und dürfe sich "nicht länger schützend vor die Telekom stellen". Nötig seien Planungssicherheit, eine investitionsfreundliche Kulisse und eine schärfere Zugangsregulierung bei FTTH.

An die Bundesnetzagentur appellierte Zimmer, den Markt "aktiv" zu gestalten und nicht nur zu verwalten. VATM-Geschäftsführer Frederic Ufer forderte zudem die EU-Kommission auf, ein "klares Bekenntnis zum Wettbewerb" zu geben. In einem Weißbuch zum künftigen Telekommunikationsmarkt vermisste er klare Signale. Ein Abschaltdatum für Kupferanschlüsse könne man ohne Vollversorgung mit Glasfaser nicht nennen.

(vbr)