Deutsche Bahn wartet ihre Züge automatisiert

Digitale Technik soll künftig bei der Deutschen Bahn Inspektionen vornehmen, die sonst Menschen machen. Damit will sie dem Fachkräftemangel begegnen.

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Kameratore übernehmen automatisiert die Sichtprüfung.

(Bild: Deutsche Bahn)

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Die Deutsche Bahn will mit automatisierter Wartung Verspätungen und drohenden Arbeitskräftemangel bekämpfen. Nach der Erprobung in München will das Unternehmen in den nächsten Jahren an fünf weiteren Standorten die Technik, die sie "digitale Tools" nennt, bei der Wartung von S-Bahnen und Regionalzügen einsetzen, darunter die S-Bahn-Werke in Hamburg, Frankfurt und Stuttgart. Das teilte das Unternehmen am Montag mit.

Vor Werken der Bahn oder an Strecken positioniert die Bahn Kameratore, Stahlgestelle, an denen bis zu 15 Videokameras angebracht sind. Züge, die dort hindurchfahren, werden von den Kameras erfasst, eine KI analysiert die Bilder automatisch auf Schäden und meldet diese, schildert die DB. Aktuell nutzt der Konzern insgesamt 14 Kameratore an 9 Standorten. Bis Ende 2025 sollen zusätzlich 9 Kameratore in Betrieb genommen werden.

Ausschnitt aus einer Radsatzmessanlage.

(Bild: Deutsche Bahn)

In einer automatisierten Radsatz-Messanlage in Gleisen etwa einer Werkszufahrt erfasst ein Laser-Scanner die Profilwerte der langsam rollenden Radsätze, eine Fahrzeug-Komponente, die mit am stärksten verschleißt. Messtaster erfassen zusätzlich, ob Räder unrund rollen. Die Daten leitet die Anlage automatisiert in die Werkstatt weiter. Bis Mitte 2024 sollen insgesamt 14 Radsatz-Messanlagen in Betrieb gehen.

Unterflurroboter.

(Bild: Deutsche Bahn)

Der Unterboden von Zügen wird mit einem Unterflurroboter inspiziert. Das mobile, rund 200 kg schwere Gerät wird zwischen die Schienen gespannt und fährt unter dem Zug entlang. Bewegliche Kameras erfassen den Zustand beispielsweise von Schrauben oder Abdeckklappen, übertragen die Daten in ein System, das sie dann mit dem Soll-Zustand vergleicht. Dabei kommt laut DB auch KI zum Einsatz. Dieser Roboter ist noch ein Prototyp, er wird noch weiterentwickelt.

Alle diese Arbeiten werden sonst von Fachkräften erledigt. Die Sichtprüfung des gesamten Fahrzeugs beispielsweise dauert mit menschlichem Auge pro Zug oft mehrere Stunden, mit dem Kamerator sei sie in wenigen Minuten möglich. So will die DB ähnlich wie bei der Radsatzmessanlage die Kapazität im Werk erhöhen, denn beides kann ebenfalls bereits vor der Werkshalle erledigt werden, wenn Züge mit etwa 10 km/h heranrollen. In der Werkshalle selbst könnten sich die Fachkräfte dann sogleich anhand der Daten an die Arbeit machen. Durch die drei "Tools" erübrigten sich jeden Tag etwa 20 Arbeitsstunden.

Pilotwerk für DB Regio ist das S-Bahn-Werk München-Steinhausen, dort werden seit 2019 neue digitale Werkzeuge getestet. "Wenn auch unsere anderen Metropol-S-Bahnen damit arbeiten, können wir künftig rund 400 S-Bahn-Züge eines einzigen Bautyps schneller warten", sagte DB-Regio-Chefin Evelyn Palla laut Mitteilung. Die Münchner S-Bahn-Flotte soll in diesem Jahr um 16 auf 289 Fahrzeuge vergrößert werden. "Pünktlichkeit beginnt im Werk", sagte Technikvorständin Daniela Gerd tom Markotten. Abgesehen davon sollen Automatisierung und eine Einstellungsoffensive dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken.

In Steinhausen muss jedes der über 100 Tonnen schweren und fast 70 Meter langen Fahrzeuge in regelmäßigen Abständen zur Inspektion ins Werk, spätestens nach 17.500 Kilometern. Bei 1000 täglichen Fahrten in Deutschlands größtem S-Bahn-Netz ist das nach etwas mehr als einem Monat fällig. In dem Werk sind 240 Menschen aus zehn Berufen beschäftigt.

(anw)